Das Leuchten des Meeres: Biolumineszenz

Es ist ein einzigartiges Erlebnis. In lauen Sommernächten, fernab von den Eindrücken und Lichtern der Stadt, brechen sich die Wellen und erstrahlen in einem leuchtenden Blau. Obwohl es so klingen mag, ist dieses Schauspiel nicht auf exotische oder tropische Gewässer beschränkt, sondern kann auch in unserer Heimat Kiel beobachtet werden, wenn sich im Spätsommer nährstoffreiches Wasser in der Kieler Förde erwärmt.

Verursacht wird das Meeresleuchten durch zum Phytoplankton gehörende Mikroalgen (Dinoflagellaten), welche sich dann in großer Zahl vermehren. Sie reagieren in hoher Dichte auf die mechanischen Reize von Wellen, Fischen oder Badegästen und machen sich über die Emission von Licht bemerkbar. Je nach Intensität kommt es dann zu den charakteristischen bläulich schimmernden Strömungen und funkelnden Lichtblitzen. Man vermutet, dass dies vor allem zur Irritation von Fressfeinden dient, oder aber zur Anlockung von Fressfeindes-Feinden, oder beides.

Abbildungen: Für das Meeresleuchten sind unter anderem die Dinoflaggelaten Noctiluca scintillans (links) und Pyrocystis fusiformis (rechts) verantwortlich.

Obwohl die sogenannte Biolumineszenz für uns als Landbewohner ein seltenes und außergewöhnliches Ereignis darstellt (einige Käfer und Pilze sind zur Biolumineszenz fähig), ist sie im Meer sehr weit verbreitet und keineswegs nur auf winzige Einzeller beschränkt. Aktuelle Studien gehen davon aus, dass 76 % der tierischen Meeresbewohner, darunter Quallen, Korallen, Manteltiere, Fische sowie Weich- und Krustentiere, zur Biolumineszenz fähig sind [1].

Abbildungen: Die Meerwalnuss (Mnemiopsis leidyi, links) ist eine invasive Art in Nord- und Ostsee, die wahrscheinlich mit dem Ballastwasser von Frachtschiffen nach Nordeuropa gekommen ist. Sie hat eine der stärksten Biolumineszenzreaktionen im Tierreich.
Der Tiefseefisch Photostomias guernei (rechts) lebt in Tiefen von 200 bis 4000 m und nutzt seine Leuchtorgane hinter den Augen möglicherweise zur besseren Sicht. Er ernährt sich vor allem von Laternenfischen, die ebenfalls mit Leuchtorganen ausgestattet sind.

Primäres und sekundäres Leuchten

Grundsätzlich wird bei der Biolumineszenz zwischen dem primären und dem sekundären Leuchten unterschieden. Bei dem primären Leuchten erzeugen die Organismen das Leuchten durch chemische Prozesse selbst. Sekundäres Leuchten hingegen wird durch Bakterien verursacht, die den leuchtenden Organismus bevölkern. Das sekundäre Leuchten lässt sich so zum Beispiel auch an Land bei Speisefischen wie Heringen beobachten, wenn diese vom Bakterium Aliivibrio fischeri besiedelt wurden und an betreffenden Stellen im Dunkeln leuchten. Auch bei den bekannten Angler- und Laternenfischen wird das Leuchten nicht selbst, sondern mithilfe symbiontischer Bakterien erzeugt.

Die Biolumineszenz als evolutionärer Vorteil

Die eigentliche Funktion des Leuchtens ist dabei immer wieder Gegenstand der Forschung und sehr artspezifisch. Man geht davon aus, dass das Licht Beute anlocken könnte, zur Kommunikation dient, potenzielle Fressfeinde irritiert oder zur Tarnung genutzt wird. Darüber hinaus könnte da Leuchten gerade in tiefen und damit dunklen Gewässern dazu dienen, unliebsame Kollisionen zu vermeiden. Aber auch potenzielle Partner können über das Leuchten angelockt werden. So weist der kleinste Hai der Welt (Etmopterus lailae; 15 cm) mit seinen Leuchtorganen potenziellen Partnern den Weg zu seinen Fortpflanzungsorganen.

Spannend daran ist, dass unterschiedliche Organismen oftmals ganz unterschiedliche biologische Mechanismen nutzen, um das Leuchten zu erzeugen. So nutzen einige Quallenarten beispielsweise das Photoprotein „Aequorin“, welches die chemische Reaktion katalysiert, die das Leuchten verursacht. Viele andere Organismen nutzen hingegen ein System, bei dem das Enzym Luziferase den Stoff Luziferin oxidiert. Die Reaktionsprodukte sind instabil und geben beim Zerfall Energie in Form von Licht frei. Interessanterweise haben sich die biologischen Mechanismen zur Biolumineszenz in vielfältigsten biologischen Spezies (darunter Bakterien, Pilze, Algen, Käfer und Meerestiere) in der bisherigen Evolutionsgeschichte über 40 Mal unabhängig voneinander entwickelt und durchgesetzt. Es ist also davon auszugehen, dass das Leuchten essenziell für diese Arten ist und wertvolle Aufgaben in ihren Lebensräumen erfüllt – auch wenn wir sie nicht immer genau kennen.

Nicht zu verwechseln ist die Biolumineszenz übrigens mit der Biofluoreszenz, bei der bereits vorhandenes energiereiches UV-Licht in langwelligeres, sichtbares Licht umgewandelt wird. Biofluoreszenz ist im Ozean ebenfalls weit verbreitet und nicht minder faszinierend. Aber dazu mehr in einem anderen Oceanblog-Artikel.

Referenzen:
[1] Martini, Séverine; Haddock, Steven H. D. (2017): Quantification of bioluminescence from the surface to the deep sea demonstrates its predominance as an ecological trait. In: Scientific Reports 7, S. 45750. DOI: 10.1038/srep45750

Weitere Literatur:
Oceanblog-Artikel zur Meerwalnuss: Der unerwünschte Einwanderer
National Geographic Artikel (Olivia Judson): Biolumineszenz: Licht an!

Bildverweise:
Titelbild von Patrick Fore auf Unsplash
Pyrocystis fusiformis: Aleksandra Szczerbiak
Noctiluca scintillans: Maria Antónia Sampayo, Instituto de Oceanografia, Faculdade Ciências da Universidade de Lisboa – http://planktonnet.awi.de
Meerwalnuss: Nikolas Linke
Photostomias guernei: E. Widder/U.S. National Oceanic and Atmospheric Administration

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