Umami – der fünfte Geschmack
Die fünfte Geschmacksrichtung wurde 1908 von dem japanischen Chemiker Kikunae Ikeda entdeckt. Er schuf den Namen “umami”, welcher aus den Worten für “köstlich“ und “Geschmack” zusammengesetzt ist. Wir würden ihn heute als „herzhaft”, “würzig”, “pikant” oder auch “fleischig” bezeichnen.
Der Umami-Geschmack entsteht durch das Vorhandensein der Aminosäuren Glutaminsäure und Asparaginsäure oder der Verbindungen Inosinat oder Guanylat, die vor allem in eiweißreichen Lebensmitteln enthalten sind. Umami verstärkt den Geschmackseindruck von Speisen. Typische Umami-Träger sind getrocknete Steinpilze, Parmesan, Oliven, Tomaten, Sojasoße oder Meeresalgen.
Unsere Lebensmittel enthalten freie Aminosäuren, jedoch werden beim Reifen, Garen oder Trocknen – und ganz besonders beim Fermentieren – die Eiweiße teilweise abgebaut, so dass weitere Aminosäuren freigesetzt werden. In Asien ist das Konzept der Fermentation zur Intensivierung von Aromen sehr alt. Mit Hilfe des Koji Pilzes (Aspergillus orizae) werden in Japan seit Generationen Lebensmittel unter kontrollierten Bedingungen zersetzt, was weitere Mengen an Glutaminsäure und Asparaginsäure freisetzt. Auch bei mit Schimmelpilzen beimpftem Käse wie Blauschimmelkäse, Camembert, Roquefort und Gorgonzola entsteht der Geschmack durch die Zersetzung von Eiweißen und Milchzucker.
Immer mehr Köche entdecken den Umami-Geschmack für sich, auch für Fans guten Essens ist er einer der heißesten Trends. So findet auch Kombu (z.B. das Meeresgarten „Kraftpaket“) in immer mehr Küchen Einzug, da es eine wichtige Zutat der „Dashi“ genannten asiatischen Suppengrundlage ist.
Inhaltsverzeichnis
Welche Aufgabe haben die Geschmacksrichtungen?
Jeder der fünf Geschmäcker hat im biologischen Sinne eine wichtige Aufgabe für die Nahrungsaufnahme von Mensch und Tier. Die Auswahl der richtigen Nahrung hat in der Evolution einen bedeutenden Selektionsvorteil.
- Süß schmeckende Nahrung ist reich an Kohlenhydraten und liefert somit schnell Energie.
- Saures zeigt unreife Früchte und verdorbene Nahrung an.
- Salziges signalisiert dem Körper, dass Natriumchlorid oder andere Mineralstoffe enthalten sind. Diese sind für viele Stoffwechselvorgänge notwendig. Sie werden beim Schwitzen ausgeschieden und können vom Körper nicht gespeichert werden.
- Bitteres zeigt ungenießbare Nahrung (z.B. Schimmel) oder giftige Pflanzen an. Da Bitterstoffe jedoch auch wichtig sind, verändert sich die Bitter-Wahrnehmung im Laufe des Lebens. → Artikel „Bitterstoffe für Leber und Haut“
- Umami ist für den Körper ein Hinweis auf eiweißreiche Nahrung. Eiweiße liefern die Bausteine von Muskeln und Enzymen und sind daher lebensnotwendig.
Industrielle Geschmacksverstärker
Glutaminsäure (Glu) ist eine für den Menschen nicht-essentielle Aminosäure (Baustein der Eiweiße). Sie spielt eine Schlüsselrolle im Citratzyklus (Energiegewinnung) und fungiert als Neurotransmitter im Zentralen Nervensystem.
Zu den Lebensmitteln, die reich an Glutaminsäure sind, zählen gereifter Käse (Parmesan), Sojabohnen, Erdnüsse, Thunfisch, Fleisch, Linsen, Pilze, Tomaten, Chicorée, Sellerie und Liebstöckel („Maggikraut“). Die Kombu-Alge hat natürlicherweise den höchsten Gehalt an Glutaminsäure aller Lebensmittel (1.400-3.200 mg/100 g). Asparaginsäure (Asp) kommt hauptsächlich in Spargel (Asparagus), Linsen, Kartoffeln und Bohnen vor.
Chemisch hergestelltes Mononatriumglutamat (als Geschmacksverstärker) wirkt zwar auch auf die Geschmacksknospen, bietet jedoch nicht dieselbe “Geschmackstiefe” wie natürliche Würzmittel. Auch wenn Glutamat per se nicht gesundheitsschädlich ist, sollte auf das industriell hergestellte Produkt verzichtet werden.
Durch das 1968 als “Chinarestaurant-Syndrom” bekannt gewordene Krankheitsbild wurde eine starke Verteufelung von Glutamat als Geschmacksverstärker eingeläutet. Wissenschaftlich konnte bisher keine gesundheitsschädliche Wirkung nachgewiesen werden, außer bei zu großer Aufnahmemenge. In Einzelfällen können allergische Reaktionen oder ein gestörter Abbau der Produkte (“Glutamatunverträglichkeit”) vorkommen.
Die als Geschmacksverstärker in der Industrie verwendeten Inosinat oder Guanylat werden heute biotechnologisch mithilfe von Mikroorganismen hergestellt, die gentechnisch verändert sein können. Inosinat kommt aber auch natürlicherweise in Fleisch und Fisch vor, während Guanylat häufig bei Pilzen, z.B. getrockneten Shiitake-Pilzen, vorkommt. Auch Bio-Produkte dürfen Geschmacksverstärker enthalten.
Inzwischen wird auch “Hefeextrakt” als Geschmacksverstärker eingesetzt. Die zur Herstellung eingesetzten Wein- oder Bierhefen sind auf erhöhte Glutaminsäureproduktion gezüchtet oder genetisch modifiziert (GMO).
Industrielle Geschmacksverstärker werden mit folgenden E-Nummern bezeichnet:
- E620 – E625 Glutamate
- E626 – E629 Guanylate
- E630 – E633 Inosinate
FeSaZus als neue Droge
Das Kunstwort “FeSaZu” – inspiriert von Marc-Uwe Kling („Qualityland“) – beschreibt Nahrungsmittel, die hauptsächlich aus den Zutaten Fett, Salz und Zucker (Kohlenhydraten) bestehen und keine für den Körper wichtigen Bestandteile enthalten. Sie dienen ausschließlich der Sättigung, als kurzfristiger Energielieferant und dem Geschmackserlebnis (z.B. Croissants, Chips). Viele Produkte aus der Nahrungsmittelindustrie setzen ganz gezielt auf die Aktivierung der Geschmacksknospen, um eine “Geschmacksexplosion” zu erzeugen. Diese soll im besten Fall “süchtig” machen, um mehr von dem Produkt zu verkaufen.
Aktuelle Studien deuten darauf hin, dass der tägliche Verzehr von hochverarbeiteten Lebensmitteln das Belohnungszentrum im Gehirn neu verschaltet. Das Verlangen nach leckeren Mahlzeiten wird im Gehirn ähnlich wie bei der Sucht nach Kokain ausgelöst. Besonders fett- und zuckerreiche Nahrungsmittel führen zu einer ähnlich signifikanten Ausschüttung des Neurotransmitters Dopamin („Glückshormon“) wie Amphetamine (euphorisierende Droge). Der Verzicht führt gerade bei Jugendlichen zu “Entzugssymptomen” wie Kopfschmerzen, Reizbarkeit, Konzentrationsschwäche und verminderte Motivation. Bitterstoffe können den Heißhunger bremsen, jedoch werden sie gerade von jungen Menschen als sehr negativ wahrgenommen.
Diese drei Bestandteile müssen neben dem Eiweißanteil in der Nährwerttabelle auf Nahrungsmitteln angegeben werden, denn im Übermaß genossen – wenn sie ohne wichtige Nährstoffe aufgenommen werden – wirken sie gesundheitsschädlich. So führt zu viel Salz zu Bluthochdruck und Wassereinlagerungen, Zucker zu Diabetes und zu viel ungesättigtes Fett zu Gefäßverkalkung (Arteriosklerose) und Übergewicht.
Gibt es einen sechsten Geschmackssinn?
Ein Wissenschaftlerteam um Philippe Besnard von der Universität Dijon in Frankreich identifizierte Ende 2005 einen möglichen Geschmacksrezeptor für langkettige Fettsäuren. Fette sind sowohl Energiespeicher, Geschmacksträger als auch Bestandteil der Zellmembranen aller Zellen. Legt man bei Säugetieren diesen Rezeptor lahm, vergeht ihnen der Appetit auf fettreiche Nahrung.
Nun könntest Du sagen, dass auch “scharf” wie nach dem Essen von Chili oder “frisch” bzw. “kühl” hervorgerufen durch ein Menthol-Bonbon zwei weitere Geschmackssinne sein sollten. Tatsächlich wird dieser Geschmackseindruck aber durch die Hitze- und Kälterezeptoren auf der Zunge und nicht durch Geschmackspapillen hervorgerufen. Der scharfe Geschmack mancher Speisen ist somit ein Schmerzempfinden, das im Gehirn mit angenehmen Gefühlen verknüpft ist.
Die zonale Verteilung der Geschmacksrichtungen auf der Zunge („Geschmackszonen“, “Zungenlandkarte”) ist übrigens ein Mythos: Die Rezeptoren aller Geschmacksrichtungen sind auf der gesamten Zunge verteilt. Lediglich die Form der Geschmackspapillen (Sitz der Geschmacksknospen) unterscheidet sich in den Zonen der Zunge (Wall-, Blätter-, Pilzpapillen).
Forschungen zeigen, dass es weitere Geschmacksrezeptoren geben könnte. So konnten Forscher zeigen, dass zumindest Mäuse auch Wasser schmecken können. Der Mechanismus des “Wasser-Schmeckens” ist jedoch noch nicht vollständig geklärt.
Wie funktioniert die Geschmackswahrnehmung?
Geschmacksstoffe (Geschmacksmoleküle) aus dem Essen werden im Speichel gelöst und gelangen an die Geschmackspapillen mit den Geschmacksknospen, welche etwa 10 bis 50 Sinneszellen enthalten. Diese besitzen Rezeptoren, die bei chemischer Bindung mit den Geschmacksstoffen ein elektrisches Signal über die “Geschmacksnerven” und das Rückenmark an das Gehirn senden. Das Signal landet im Limbischen System, das auch für Emotionen, Erinnerungen und Gerüche verantwortlich ist. Die für Bitterstoffe zuständigen Rezeptoren reagieren 10.000-mal empfindlicher als die Süße-Rezeptoren. Daher können Bitterstoffe den Appetit zügeln – ebenso wie die Umami-Rezeptoren.
Nicht nur die primären Geschmacksqualitäten der Nahrung, sondern auch deren Konsistenz, Temperatur, Geruch und die emotionalen Verknüpfungen tragen zum endgültigen Geschmackserlebnis im Limbischen System bei. Dabei haben die für die Temperaturmessung und Schmerzempfindung zuständigen Sensoren eine merkwürdige Eigenschaft: Sie werden auch dann aktiv, wenn sie mit scharfen Geschmacksstoffen in Berührung kommen. Senf und Meerrettich aktivieren die Kälterezeptoren, während das Capsaicin aus der Chili mit dem Hitzerezeptor interagiert.
Der Mensch besitzt etwa 9.000 Geschmacksknospen auf der Zunge. Diese nehmen mit dem Alter ab: Während ein Neugeborenes noch etwa 10.000 Geschmacksknospen besitzt, nimmt die Zahl beim Erwachsenen kontinuierlich auf 5.000 bis 3.000 Geschmacksknospen ab. Katzen haben nur etwa 400 Geschmacksknospen – Süßes schmecken sie als Raubtier gar nicht. Hunde besitzen etwa 1.500 – 2.000 Geschmacksknospen. Pflanzenfresser hingegen haben den differenziertesten Geschmackssinn, da sie pflanzliche Nahrung stark unterscheiden müssen. Pferde besitzen z.B. 35.000 Geschmacksknospen.
Geschmacksrezeptoren kommen auch in anderen Körperorganen vor: So hat der Magen Rezeptoren für Süßes, der Darm hat auch Bitterrezeptoren, um z.B. Gallensäuren zu erkennen. Geschmacksrezeptoren außerhalb des Munds beeinflussen das Immunsystem und den Stoffwechsel. Umami-Rezeptoren in Spermien ermöglichen erst die Befruchtung der Eizelle.
Es gibt übrigens auch pflanzliche Stoffe, die “Geschmacksstörungen” hervorrufen: Miraculin ist ein Glykoprotein aus den Früchten der afrikanischen Wunderbeere (Synsepalum dulcificum), das den Geschmack verändert. Der Stoff ist selbst geschmackslos, durch Bindung an die Sauer-Rezeptoren werden jedoch eigentlich saure Speisen wie Zitrusfrüchte als süß wahrgenommen. Nach dem Verzehr von Pinienkernen aus Asien kann es vorkommen, dass tage- bis wochenlang sämtliche Nahrung als bitter wahrgenommen wird. Dies wird vermutlich durch eine bestimmte ungesättigte Fettsäure hervorgerufen, die in den rundlicheren Kernen der sibirischen Zirbelkiefer (Pinus sibirica) oder der asiatischen Korea-Kiefer (Pinus koraiensis) vorkommen. Europäische Pinienkerne sind länglich und rufen diesen Effekt nicht hervor.
Geruch und Geschmack gehören eng zusammen
Da sowohl die Signale von der Zunge als auch die Signale aus der Nase im Limbischen System im Gehirn landen, beeinflusst die Geruchswahrnehmung auch den Geschmackssinn. Bei einer Erkältung – wenn die Nase verstopft ist – schmeckt jedes Essen fade. Erst die Kombination beider Sinne lässt die Nahrung geschmacksintensiv erscheinen. Daher werden der industriellen Nahrung viele Aromen zugesetzt.
Während der Geschmackssinn nur 5 (oder 6) Richtungen erkennt, erkennen die Sinneszellen der Nase tausende von Duftstoffen. Bitter-Rezeptoren finden sich auch in der Nase und in der Lunge. Werden sie durch bakterielle Stoffwechselprodukte aktiviert, leiten sie ein „Reinigungsprogramm“ ein, um die Bakterien loszuwerden.
Der Geruchssinn schützt uns ebenfalls vor schlechten und verdorbenen Nahrungsmitteln. Faule Eier oder sauer riechende Milch erzeugen ein Alarmsignal und rufen Ekel hervor. Daher riechen wir instinktiv an verarbeiteten Nahrungsmitteln.
Weiterführende Literatur:
Spektrum.de: Fettsensor auf der Zunge entdeckt
Spektrum.de: Können Lebensmittel süchtig machen?
Spektrum.de: Überall im Körper befinden sich Geschmackssinneszellen
Spektrum.de: Das Geheimnis des Geschmackssinns
Bildnachweise:
Titelbild: KI-generiert durch Adobe Firefly
Rührschüssel: Martin De Arriba auf Pexels.com
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