Algen als „Klimaretter“

Algen wirken dem Klimawandel entgegen – könnte diese These wahr sein? Algen spielen nämlich eine Hauptrolle bei der CO2-Reduzierung. Genau wie Landpflanzen nehmen sie CO2 aus der Luft auf und produzieren gleichzeitig Sauerstoff. Diesen Prozess kennen wir alle noch aus dem Biologie-Unterricht: die Photosynthese.

Wenn man nun unsere Erde betrachtet und erkennt, wie viele Teile davon Meere sind, erkennt man auch die enorme Menge an Algen. Und damit den Anteil, den sie an der CO2-Aufnahme bzw. Sauerstoffproduktion haben. Da wundert es nicht, dass in etwa jedes zweite Sauerstoff-Molekül einer Alge entspringt. Bei der Menge an Algen und ihrer beachtlichen Umsatzrate müssen Algen doch einen positiven Effekt auf den Klimawandel haben?

Daher nutzt die Forschung Algen als Sprungbrett für neue Lösungswege. Zum einen, um die Alge stärker als Nahrungsmittel zu erschließen und zum anderen, um Algen als CO2-Speicher im Ozean zu nutzen.

Aufgetischt: Alge vs. Landpflanze

Algen sind die „Big Player“, wenn es um Emissionsreduzierung geht, auch indirekt als Lebensmittelquelle. Gegenüber Landpflanzen glänzen sie nämlich mit wesentlichen Vorteilen. Die Alge ist um ein Vielfaches bescheidener im Handling und genügsam im Anbau. Sie muss weder gewässert noch gedüngt werden. Das spart kostbares Süßwasser und schont indirekt die Meere. Eutrophierung wird verhindert und CO2-lastige Düngemittel vermieden. Zudem benötigt man beim Algenanbau keine zusätzlichen Landflächen. Hinsichtlich der zunehmenden Ressourcenknappheit und einer wachsenden Weltbevölkerung ist dies ein weiterer Pluspunkt für die Alge. Und nicht zu vergessen: keine Pestizide! Die Alge schützt sich selbst.

All diese Vorteile des Algen-Farmings sind großartig und ein Grund mehr sich öfter für einen Algensalat zu entscheiden. Was in Asien oder der Bretagne häufig Menükarten ziert, muss sich hierzulande erst noch etablieren. Inhaltstoffe und Geschmack überzeugen und halten auf immer mehr Speiseplänen Einzug (siehe dazu auch unseren Beitrag Algen essen leicht gemacht). Das ist erfreulich. Doch hat das leider keine direkten Auswirkungen auf unser Klima.

Algen aus nachhaltigem Anbau bereichern den Speiseplan – hier: Fischburger mit Meeresspaghetti.

CO2-Bindung als Puffer

Mit dem CO2 verhält es sich so: Pflanzen und Algen betreiben Photosynthese, sprich Kohlenstoffdioxid-Aufnahme und Sauerstoff-Abgabe. Solange das CO2 gespeichert wird (in einem Baum, einer Pflanze, Alge oder in Mooren) kann es nicht in die Umwelt gelangen. Erst wenn Stoffwechselprozesse starten (Verrottung, Vergärung, Verdauung, Oxidation), wird Kohlenstoffdioxid freigesetzt und gelangt in die Atmosphäre.

Um diesen Atmosphäreneintritt zu verhindern oder zu verlangsamen, ist es also hilfreich CO2 so lange wie möglich einzulagern, bestenfalls gar nicht mehr entweichen zu lassen, wie es z. B. in Mooren auf natürliche Weise unter anaeroben Bedingungen geschieht.

Mehr zu diesem Thema gibt’s hier:
Moore, die effektivsten Kohlenstoffspeicher der Welt

Basierend auf diesem Konzept tüfteln Wissenschaft und Forschung daran, Algen als Speicherort für CO2 zu etablieren. Ein Anstoß für dieses Gedankenspiel waren mitunter die sog. „Golden Tides“. Ein Phänomen, das man seit über einem Jahrzehnt in der Karibik beobachten kann. Hier kommt es regelmäßig zu einer enormen Algenblüte. Zum Beispiel am Golf von Mexiko, genauer der Sargassosee, wächst der Golftang (Sargassum fluitans) und wird vielerorts von April bis Oktober in gigantischer Menge an die Küsten gespült.

Diese gewaltige Menge an Biomasse stellt die Bewohner der Regionen vor große Probleme. Aus der Not heraus erwuchsen bereits unterschiedliche Lösungsansätze. So wird der angespülte Golftang u. a. zu Bio-Düngemitteln verarbeitet oder als Baustoff in Form gepresster Ziegel genutzt.

Golden Tide

Eine klassische Golden Tide mit unüberschaubaren Mengen von angespülten Sargassum Algen an einem Strand in Belize.

Speicherort Alge

Diese gewaltige Menge an Biomasse kann aber eben auch eine gewaltige Menge an CO2 speichern. CO2, welches die Alge während ihres Wachstums aufnimmt und einlagert. Wie sorgt man nun dafür, dass dieses Kohlendioxid nicht oder nur extrem langsam freigesetzt wird? Die Ideen sind vielfältig.

Ein neuer Ansatz betrifft die sog. Thermohaline Zirkulation und damit die Meeresströmungen. Ein Forschungsprojekt nutzt die besonders günstigen Wachstumsbedingungen für den Golftang in der Sargassosee Region. Man züchtet also große Mengen der Alge und schickt diese dann im Prinzip auf eine lange Reise, mit dem Golfstrom wandert die Masse Richtung Norden. Das Ziel ist Kohlenstoffbindung im Ozean. Nach und nach zersetzt sich die Alge und sinkt durch Gravitation und Abkühlung der Wassertemperatur in tiefere Wasserschichten ab. Dabei wird zwar CO2 aus der Alge freigesetzt. Weil es unter Wasser aber fast gar keine Durchmischung der einzelnen Wasserschichten gibt, verbleiben die Algenreste und damit das CO2 vorerst in tieferen Gefilden. Mit der Strömung schieben sich diese Wasserkörper über die Weltmeere. Bis das darin enthaltene CO2 wieder an die Atmosphäre abgegeben wird, vergehen laut heutigem Wissensstand 600 – 1000 Jahre. Ein beachtlicher Puffer, der uns Zeit schenkt und hilft zusätzliches Kohlenstoffdioxid aus der Umwelt zu ziehen.

Meeresströmung

Ein Lösungsansatz, um Kohlendioxid in Algen zu speichern: Man schickt Algen mit dem Golfstrom auf eine lange Reise. Mit der Zeit zersetzen sich die Algen und sinken in tiefere Schichten ab.

Solche Ansätze der Speicherung sind vielfältig. Man tüftelt parallel auch daran die Algen in Ballen gepresst am Meeresboden einzulagern. In derart tiefen Wasserbereichen ist die ohnehin sehr geringe Zersetzungsrate des Golftangs nochmals um ein Vielfaches geringer als an der sauerstoffreichen Wasseroberfläche.

Im Übrigen wird Kohlendioxid bereits überall in den Meeren auf natürlichem Weg gebunden. In der Wissenschaft spricht man von der Biologischen Pumpe. Es beginnt mit der klassischen Nahrungskette unter Wasser: Algen, die in den sonnendurchfluteten, oberen Wasserschichten wachsen und CO2 aufnehmen, werden gefressen, verdaut und ausgeschieden. Diese CO2 beinhaltenden Ausscheidungen, der sog. Meeresschnee, rieselt dann hinunter auf den Meeresboden, wo er für tausende von Jahren verbleibt.

Algen haben besondere Kapazitäten übermäßiges CO2 aus der Luft zu holen. Sie eröffnen uns neue Wege, Kohlendioxid für lange Zeit wegzuschließen. Und so könnten Algen durchaus einen wichtigen Beitrag gegen den Klimawandel leisten.

Quellen:
Alfred-Wegener-Institut, Helmholz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung. Sea4soCiety- Sargassum (2021-2024)

Planet Wissen, WDR Mediathek: Algen – Wie sie für uns die Welt retten könnten

Bildnachweis:
Golden Tide: hat3m on Pixabay
Meeresströmung: Ishan @seefromthesky auf Unsplash

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