Wir kommen kurzfristig aus dem mentalen Tritt, wenn wir darüber nachdenken, dass es bei uns zuhause 4 °C kalt ist und die Weihnachtsmärkte bereits geöffnet sind. Es ist erster Advent.
An diesem ersten Advent machten wir uns in minimaler Adventsstimmung auf unseren nächtlichen Schildkröten-Kontrollgang bei 25 °C und klarem Abendhimmel. Wir hofften nicht, an diesem Tag noch eine Schildkröte zu Gesicht zu bekommen, denn der aufgehende Mond schien bereits sehr hell und die Meeresschildkröten meiden Anlandungen bei Mondlicht. Sie mögen es lieber dunkel bei der Eiablage.
Außerdem waren wir am ersten Adventsmorgen bereits Geburtshelfer bei Olivenschildkröten-Babies und noch mehr Glück an einem Tag wagten wir nicht in Anspruch zu nehmen.
Erik, Inez und ich waren in einer Gruppe. Erik, der Chef der Strandbrigade in Pitiké, marschierte in einem Irrsinnstempo über den weichen Strand und ich vermutete, dass meine Schwierigkeiten mitzuhalten eventuell mit dem geringen Einsatz zu tun haben, mit denen ich in den letzten Jahren Leibesübungen betrieben habe. Ganz vielleicht steckte hinter diesem aufopferungswürdigen Sprint von Erik auch Imponiergehabe gegenüber der einzigen Frau im Team, was nicht mein Problem war. Mein Problem war eher mein zwickender Muskelkater in den Waden, der von dem ebenfalls strammen Tempo von letzter Nacht stammte. In der letzten Nacht hatten wir Glück und wir konnten eine Grüne Meeresschildkröte bei der Eiablage beobachten.
Wir staksten über den Strand in Richtung Dorf, in dessen Nähe Erik uns ein Eigelege zeigte, das bald seine kleinen Bewohner ins Leben entlässt.
Ein unangenehmes Piepen holte uns aus der heimelig-ruhigen Szene. Aus dem Walky Talky von Wolf krakelte eine aufgeregte Stimme: „Un luth, un tortue luth!!!“ – Eine Lederschildkröte! Die größte und beeindruckendste Schildkröte, die auf unserem Planeten existiert. Bis zu 2 m lang und bis zu 900 kg schwer werden diese Tiere. Wir mussten sie gerade verpasst haben und der nachfolgende Trupp stieß auf die gerade aus dem Meer steigende Schildkröte.
Wir eilten zur Tortue luth und kamen rechtzeitig zu den Vorbereitungen der Eiablage, die in ausgiebigen Grabungstätigkeiten bestehen:
zuerst buddelt die Schildkröte mit den Hinterfüßen ein bis zu einem halben Meter tiefes Loch.
50-100 fast tennisballgroße Eier legt sie unter gelegentlichem Schnaufen in das Loch. Wir beobachten mit einer guten Portion Ehrfurcht dieses faszinierende Naturschauspiel.
Nach etwa 20 Minuten waren die Eier „eingelocht“ und nach einer kurzen Verschnaufpause fing die eigentlich harte Schaufelarbeit an. Die Lederschildkröte begnügt sich nämlich nicht mit dem einfachen Zuschütten des Geleges, sondern gräbt auch umliegende Flächen um, damit etwaige Räuber das Gelege nicht sofort erkennen.
Alles in allem vergingen etwa 1,5 Stunden Vor der Anlandung bis zur Wiederkehr in das vertrauter Meer. Hier verbringen die weiblichen Meeresschildkröten 6 oder 12 Monate im Meer, keiner weiß genau wo, und ernähren sich vorwiegend von Quallen. Die Männchen kommen nie an Land. Nach dieser Zeit treffen sich die Weibchen zur Befruchtung der Eier mit den Männchen vor der Küste und legen erneut Eier. Gut beschützt durch die Strandbrigade des ivorischen Vereins CEM.