Golden Tides – eine Algenplage in der Karibik
Seit ungefähr 10 Jahren kommt es vermehrt zu Anspülungen riesiger braun-goldener Algenmassen an Stränden in der Karibik, im Golf von Mexiko und in Westafrika. Die Küstenorte kommen häufig mit dem Räumen der Strände nach diesen sogenannten „Golden Tides“ überhaupt nicht hinterher, man ist von der schieren Menge einfach überfordert. Doch um welche Algen handelt es sich dabei, woher kommen sie und warum kommt es in den letzten Jahren vermehrt zu Massenanspülungen? Diesen Fragen möchte ich in diesem Blog-Artikel auf den Grund gehen und man wird sehen, dass die Golden Tides ein Phänomen sind, das wieder einmal zeigt, wie unglaublich verstrickt und global die Zusammenhänge in der Natur sind, und dass auf unserer Welt (fast) alles mit allem zusammenhängt.
Inhaltsverzeichnis
Welche Algen verursachen Golden Tides?
Golden Tides werden durch die Algenarten Sargassum natans und Sargassum fluitans gebildet. Diese beiden Braunalgenarten werden auch als Golftange bezeichnet, denn sie kommen häufig im Golf von Mexiko vor. Ihr lateinischer Gattungsname Sargassum gab außerdem der Sargassosee im zentralen Atlantik ihren Namen, denn auch dort kommen sie häufig vor. Mittlerweile findet man sie aber quasi im gesamten tropischen und subtropischen Atlantik.
Die beiden Braunalgenarten sind weltweit einzigartig, denn im Gegensatz zu allen anderen Makroalgenarten (d. h. Algenarten, die nicht mikroskopisch klein sind), leben sie nicht festsitzend auf Steinen im flachen Wasser, sondern freischwimmend in der offenen See. Um nicht im Meer zu versinken, haben sie kleine gasgefüllte Schwimmblasen, die sie an der Oberfläche halten. Und noch etwas ist sehr besonders an diesen Tangen: Sie pflanzen sich nur durch Klonung fort, d. h. die Elterntange zerfallen in kleinere Stücke, die dann als Nachwuchs einfach weiterwachsen. Eine sexuelle Vermehrung mit Samen- und Eizellen gibt es nicht, denn die nach der Verschmelzung entstehende befruchtete Eizelle braucht bei Algen einen Stein, um darauf zu fallen und dann auszukeimen. Da die Tange im offenen Ozean leben, würden die befruchteten Eizellen einfach in der Tiefe versinken, deshalb verzichten die Tangarten auf eine sexuelle Vermehrung und vermehren sich nur durch Klonung.
Rund um die schwimmenden Tange hat sich ein komplexes Ökosystem gebildet. Eine Vielzahl von wirbellosen Tieren lebt zwischen den schwimmenden Tangen, z. B. verschiedene Garnelenarten und wunderschöne Meeresnacktschnecken(1). Darüber hinaus findet man den Nachwuchs von über 100 Fischarten zwischen den schwimmenden Tangen und es gibt sogar eine Fischart, die ausschließlich in diesem besonderen Ökosystem vorkommt, der Sargassofisch(2).
Warum sind die Golden Tides in den letzten Jahren zu einer Plage geworden?
Golftange sind schon lange im Atlantik heimisch, doch in den letzten Jahren haben sie sich extrem vermehrt und es kommt sogar an Küsten weit entfernt von ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet zu Anspülungen. Man kann die goldenen Gürtel aus treibenden Algen sogar aus dem Weltraum erkennen. Die enorme Zunahme in den letzten Jahren wird mit mehreren Faktoren erklärt:
- Durch das Roden der tropischen Regenwälder in Südamerika und eine Zunahme der Landwirtschaft gelangt mehr Dünger in die Flüsse, z. B. den Amazonas, und damit ins Meer. Dieser Dünger lässt die Algen extrem schnell wachsen.
- Mit dem Wüstensand aus der Sahara werden weitere mineralische Nährstoffe, die als Dünger wirken, in den Atlantik geweht. Dieser Effekt hat durch eine zunehmende Desertifikation, d. h. einer Umwandlung von Grasländern oder Wäldern in Wüste, und durch Bergbautätigkeiten in der Sahararegion zugenommen.
- Durch den Klimawandel steigt die Wassertemperatur, was ebenfalls das Wachstum der Algen begünstigt und damit die Bildung von massiven Algenblüten verstärkt(3).
Das heißt, dass die Entscheidungen, die in Regionen weitab des Ozeans getroffen wurden, Auswirkungen auf das Wachstum der Golftange und damit auf Küstenorte auf kleinen Karibikinseln haben. Ein eindrückliches Beispiel dafür, wie die Ökosysteme weltweit miteinander in Verbindung stehen.
Gibt es Hoffnung?
Der Eintrag von Nährstoffen über die großen südamerikanischen Flüsse und genauso der Staubaustrag aus der Sahara lässt sich nur mit Wiederaufforstung bekämpfen. Eine kurzfristige Lösung ist allerdings nicht in Sicht. Es gab Versuche, die gestrandeten Algen in Biogasanlagen zu verwenden, doch diese waren bis jetzt nicht von Erfolg gekrönt, denn die Algen haben nur ein sehr geringes Methanbildungspotential und lassen sich deshalb in Biogasanlagen nur schlecht verwerten4. Wir haben es also mit einem klassischen „wicked problem“ zu tun, für dass es einfach keine direkte Lösung gibt. Deshalb möchte ich hier auch keine einfache Lösung vorschlagen und beende den Beitrag an dieser Stelle. Aber auch wenn die Algen derzeit primär als Pest an den betroffenen Stränden wahrgenommen werden, sollte man nie vergessen, welche wunderschönen und vielfältigen Lebensräume sie auf dem offenen Meer bilden.
Weiterführende Infos:
Eutrophierung – ein „wicked problem“ des Umweltschutzes
Quellen / Verweise:
(1) Lindsay Martin (2016) Pelagic Sargassum and its associated fauna in the Caribbean, Gulf of Mexico, and Sargasso Sea, Poster, Ocean Science Meeting, New Orleans, USA
(2) James Prosek (2019) Life in the North Atlantic depends on this floating seaweed. National Geographic
(3) https://coral.org/en/blog/the-stench-of-sargassum-season-how-seaweed-is-threatening-mesoamerica/, Accessed:28.11.2022
(4) Therell M. Thompson, Brent R. Young, Saeid Baroutian (2021) Enhancing biogas production from caribbean pelagic Sargassum utilising hydrothermal pretreatment and anaerobic co-digestion with food waste. Chemosphere, DOI: 10.1016/j.chemosphere.2021.130035
Bildnachweis:
Das Titelbild zeigt eine klassische Golden Tide mit unüberschaubaren Mengen von angespülten Sargassum Algen an einem Strand in Belize.
Foto: hat3m on Pixabay
Nahaufnahme Golftang: Wenzel Meichßner
Meeresschildkröte: LaterJay Photography on Pixabay
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Moin, mein Name ist Rafael Meichßner und ich arbeite als Meeresbiologe bei CRM (Coastal Research & Management), der Mutterfirma von oceanBASIS. Thematisch befasse ich mich vor allem mit dem Anbau von Algen und deren Nutzung. Hier im Blog schreibe ich aber auch zu anderen Themen, die mir auf dem Herzen liegen, z. B. Umweltschutz, Artenvielfalt und Ökologie.
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