Algen als Vitamin B12 Quelle?
Vitamin B12 spielt eine wichtige Rolle bei der Bildung der roten Blutkörperchen, der Zellteilung, beim Homocystein-Stoffwechsel, der Funktion des Nervensystems und der DNA-Replikation. Es kann ausschließlich von Mikroorganismen hergestellt werden und gelangt über die Nahrungskette in den tierischen und menschlichen Organismus. Gute Vitamin-B12-Lieferanten sind Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte sowie Eier und Milchprodukte. Doch für Veganer bieten Algen eine Alternative.
Inhaltsverzeichnis
Häufiger Vitaminmangel
Alle Vitamin-B12-Formen sind licht- und hitzeempfindlich, so dass Braten, Kochen und besonders wiederholtes Erwärmen in der Mikrowelle zu großen Verlusten führen. Daher enthalten industriell verarbeitete Produkte meist sehr wenig des lebensnotwendigen Vitamins. Somit ist die Versorgung in großen Teilen der Gesellschaft nicht gewährleistet. Vermutlich ist Vitamin B12-Mangel in Deutschland der am häufigsten vorkommende Vitaminmangel neben dem sehr verbreiteten Vitamin D3-Mangel.
Die empfohlene Tagesdosis für Vitamin B12 wurden 2018 von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) überarbeitet. Galt für Erwachsene zuvor eine empfohlene Zufuhr von 3,0 µg pro Tag, wurde diese nun auf 4,0 µg pro Tag erhöht.
Laut Nationaler Verzehrsstudie (NVS II) liegt die mittlere Zufuhr von Vitamin B12 bei Frauen bei 3,8 μg pro Tag und bei Männern bei 5,3 μg pro Tag. Risikogruppen für eine mangelhafte Zufuhr sind Vegetarier und Veganer. Aber auch Magen- und Darmerkrankungen können die Aufnahme von Vitamin B12 in den Körper verringern.
Eine unzureichende Versorgung mit Vitamin B12 führt zu einem Anstieg an Homocystein im Blut. Bei einer länger anhaltenden Unterversorgung kann es zudem zu einer Störung der Zellteilung und einer Blutarmut kommen, was sich in einer blassen, fast gräulichen Haut sowie einem Taubheitsgefühl in den Fingern und Zehen äußert. Darüber hinaus kann ein Vitamin-B12-Mangel zu psychischen Auffälligkeiten wie Gedächtnisschwäche, Ermüdungserscheinungen, Aufmerksamkeitsdefizite bis hin zu depressiven Verstimmungen führen.
Die B-Gruppe der Vitamine
Cobalamine sind eine Gruppe stoffwechselaktiver Verbindungen mit dem Übergangsmetall Cobalt als wirksames Zentralatom. Sie werden zur Gruppe der wasserlöslichen B-Vitamine gezählt. Zu der Gruppe gehören: Thiamin (B1), Riboflavin (B2), Niacin (B3), Pantothensäure (B5), Pyridoxin (B6), Biotin (B7), Folsäure (B9) und das Cobalamin (B12).
Neben den Vitaminen gibt es noch die so genannten Vitaminoide. Das sind vitaminähnliche Substanzen, die der Körper selbst bilden kann. Dazu zählen Pangamsäure („Vitamin B15“), Cholin („Vitamin B4“) und Inositol („Vitamin B8“). Orotsäure wird häufig als Vitamin B13 bezeichnet und ist eigentlich ein kein wirkliches Vitamin, sondern ein „Pseudovitamin“. Es ist ein Zwischenprodukt bei der DNA-Synthese. Vitamin B14, auch bekannt als Para-Aminobenzoesäure (PABA), gehört zu den weniger erforschten Vitaminen des B-Komplexes.
Varianten des Vitamins
Die vitaminwirksamen Varianten des Vitamin B12 sind Methylcobalamin (MeCbl) und Adenosylcobalamin (AdoCbl). Sie fungieren als Co-Faktoren zweier elementarer Stoffwechsel-Enzyme, sind ein beliebter Bestandteil von Nahrungsergänzungsmitteln und kommen auch therapeutisch als orale Gabe oder als Injektion zum Einsatz.
Sogenannte B12-Analoga (Pseudovitamin B12) unterscheiden sich leicht in der chemischen Struktur, sind aber biologisch inaktiv. Das synthetische Cyanocobalamin (CNCbl, Pseudovitamin B12) ist aufgrund seiner besonderen Stabilität ein beliebter Inhaltsstoff von Nahrungsergänzungsmitteln oder Medikamenten. Allerdings kommt Cyanocobalamin nicht in der Natur vor und muss künstlich gewonnen werden. Es muss vom Körper erst in die aktive Form umgewandelt werden, dabei kann es zur Entstehung von giftigem Zyanid kommen.
Auch das natürliche Hydroxocobalamin (HCbl) muss vom Körper erst in die aktive Form (MeCbl) umgewandelt werden. In seiner ursprünglichen Form dient es dem Körper jedoch als Speicherform, da es sich leichter an Eiweiße binden lässt.
Vitamin-B12-Analoga besetzen die für aktives Cobalamin vorgesehenen Plätze und stehen dadurch in Konkurrenz zu den aktiven Formen. Je mehr Vitamin-B12-Analoga wir also zu uns nehmen, desto schlechter kann der Körper echtes Vitamin B12 verwerten.
Einige der oft eingesetzten Analyseverfahren (z. B. der mikrobielle L. leishmanii-Test) können die aktiven nicht von den inaktiven Formen unterscheiden.
B12 in Algen
Im Jahr 2005 wurden 326 verschiedene Algenarten untersucht, von denen überraschenderweise mehr als die Hälfte kein eigenes Vitamin B12 herstellen können. Sie sind auf die Symbiose mit Bakterien angewiesen. Manche Algen können es aktiv aus dem Wasser aufnehmen und haben dafür ein spezielles Protein (cobalamin acquisition protein = “Vitamin B12 Kralle”) entwickelt. Im Stoffwechsel der Algen dient das Vitamin als Cofaktor für das Enzym, das zur Herstellung der Aminosäure Methionin benötigt wird.
Da B12 nicht von den Algen selbst, sondern von Mikroorganismen auf ihrer Oberfläche gebildet wird, spielen die Anbaubedingen eine entscheidende Rolle. Wildwachsende Meeresalgen sind hier vorzuziehen.
Einige Algen enthalten teilweise große Mengen an Vitamin B12 . Ob es sich dabei um die biologisch aktiven Formen oder um B12 -Analoga handelt, wird noch kontrovers diskutiert.
Nori (Porphyra sp.) und Dulse (Palmaria palmata) zeigten in wissenschaftlichen Untersuchungen die höchsten Vitamin B12 Gehalte der getesteten Algen. Laut Studien der Universität für Agrarwissenschaften in Japan (The United Graduate School of Agricultural Sciences, Tottori University) ist B12, das in Nori-Algen zu finden ist, jedoch auch zum größten Teil das bioverfügbare Vitamin.
Der Meersalat (Ulva sp.) ist ebenfalls eine gute B12 Quelle. Das Meeresgarten-Produkt “Glücksgriff” mit allen drei genannten Algen enthält 1,5 µg/100 g (37,5 % der empfohlenen Tagesdosis = RDA). Die Bio-Dulse-Algenflakes “Herzblut” enthalten 1,3 µg/100 g (32,5 % RDA).
Die Süßwasser-Mikroalgen Spirulina und Chlorella werden weltweit in offenen Becken oder Kreislaufsystemen angebaut. Sie können große Mengen an Vitamin B12 enthalten, was jedoch stark von den Kulturbedingungen und der Verfügbarkeit von Cobalt im Nährmedium abhängt. Bei dem enthaltenen Cobalamin handelt es sich nach aktuellem Wissensstand hauptsächlich um biologisch inaktive B12-Analoga. Laut eines Urteils des Oberlandesgerichts Hamm dürfen Spirulina-Produkte nicht mehr mit Aussagen wie „hervorragender Lieferant von aktiven B12-Formen“ beworben werden.
Aufnahme des Vitamins
Die Darmschleimhaut spielt eine entscheidende Rolle bei der Aufnahme des Vitamins B12. Von hier aus schleust das in der Magenschleimhaut gebildete Glykoprotein („Instrinsischer Faktor“) das Vitamin in den Körper. B12 ist das einzige Vitamin, das über mehrere Jahre in der Leber gespeichert werden kann.
Somit ist die Darmgesundheit so wichtig für unseren Körper. Eine hohe Vielfalt (Diversität) der Bakterienstämme in unserer Darmschleimhaut gewährleistet eine ausreichende Versorgung mit vielerlei notwendigen Molekülen und Vitaminen. Letztlich spiegelt sich ein gesunder Darm auch im Hautbild wider (→ Artikel „Die Haut ist ein Spiegelbild des Darms“).
weiterführende Literatur:
Huang et al., „Effect of roasted purple laver (nori) on vitamin B12 nutritional status of vegetarians: a dose-response trial“, Eur J Nutr. 2024 Dec;63(8):3269-3279.
Martínez-Hernández et al., „Nutritional and bioactive compounds of commercialized algae powders used as food supplements“, Food Sci Technol Int. 2018 Mar;24(2):172-182.
Temova Rakušaet al., “Vitamin B12 in Foods, Food Supplements, and Medicines-A Review of Its Role and Properties with a Focus on Its Stability.”, 2022, Molecules (Basel, Switzerland), 28(1), 240.
João P Trigo et al., “Sea lettuce (Ulva fenestrata) as a rich source of cobalamin (vitamin B12) – both as processed whole biomass and as an extracted protein ingredient”, Food Chem. 2025 Apr 9:483:144302.
Bildnachweise:
Titelbild und weitere Fotos: oceanBASIS GmbH
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